31.08.2017. Wir schreiben Ende August. Sechs ganze Wochen ist Pascal nun schon unterwegs. Die Zeit gleitet dahin. Nachdem er nun auch den mittleren Donaulauf vollständig passiert hat, geht es nun in das letzte Drittel hinein: den unteren Donaulauf. Er ist vor allem von extremen Wetterbedingungen geprägt. Im Sommer herrschen meist um die 35 Grad, im Winter teilweise bis -25 Grad, sodass die Donau zufriert und der Schiffsverkehr eingestellt wird. Für Pascal könnte die eine oder andere Hitzeschlacht folgen. Die Infrastruktur (Straßen, Eisenbahn, Häfen, usw.) ist hinter westeuropäischen Standard deutlich zurückgeblieben. Die Donau wird breit, bis zu vier Kilometer, und vor allem träge, denn es gibt kaum noch Gefälle und sehr viel Platz zum Mäandern. Große Altwasserseen, Sumpfgebiete, Sandbänke, Marsche, Schilfwälder und Felder prägen das Flussbild.
Aus Hochwasserschutz befinden sich viele Ortschaften einige Kilometer landeinwärts, und meist sind sie in ihrer Entwicklung wie stehen geblieben. Schotterpisten, Eselskarren, schlichte Häuschen, frei rumlaufende Hühner und Gänse, Gärten mit eigenem Gemüse- und Obstabbau und ältere Frauen, die ihre Kleidung in der Donau waschen, prägen das Dorfbild. Was heißt das für Pascal auf den letzten 900 Kilometern bis zum Schwarzen Meer? Paddeln bis zur Erschöpfung, gute Regeneration und Wasserzufuhr, eine schwierigere Suche nach Quartieren und selbst ein schlichteres und einfacheres Leben zu führen. Und genau darum geht es vielleicht am Ende.
„Nur aufs Ziel zu sehen, verdirbt die Lust am Reisen.“ Der P&T-Spruch der Woche von Friedrich Rückert passt perfekt für die kommende Zeit, aber auch für heute. Denn Pascal hatte keine Unterkunft im Voraus gebucht, da er einfach keine gefunden hat. Und so ließ er sich, im Wissen um sein neues Zelt, der Isomatte und dem Schlafsack, einfach treiben, solange Beine, Arme, Schultern und das SUP ihn trugen. Er startete am Morgen gegen 9 Uhr seine Etappe. Wirklich Spektakuläres gab es heute an den Ufern nicht zu sehen. Pascal paddelte entspannt vor sich hin, von Zeit zu Zeit passierte ihn ein Lastkahn.
Auf Drobeta Turnu Severin folgt zunächst die Ortschaft Simian, hier sollten einst die Bauwerke der Insel Ada Kaleh, die in den Fluten unterging, wieder aufgebaut werden. Aber nichts dem geschah, und die einstige Bevölkerung ging zurück in die Türkei.
Wenig später dreht sich die Donau durch zwei lange Kehren förmlich aus dem Gebirgsmassiv heraus und umfließt dabei die Halbinsel Ključ. Hier beginnt er nun für Pascal, der untere Lauf der Donau. Östlich liegen die 500 Kilometer langen und 150 Kilometer breiten Weiten der Walachei, die Pascal bald durchpaddeln wird. Denn noch zieht es die Donau durch langgezogene Kehren in südliche Richtung. Die Ebenen der Walachei sind im Norden von den transsilvanischen Karpaten, die bis zu 2.500 Meter hoch sind, und im Süden vom Balkanmassiv umringt, das es auf bis zu 2.300 Meter bringt und die natürliche Barriere zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer darstellt. Im Westen sieht er nach wie vor noch das serbische Erzgebirge, das aber nur noch für rund 150 Kilometer, dann zieht es die Donau nämlich nur noch in eine Richtung: Osten.
Seine erste Pause legte er nach rund 24 Kilometern bei der kleinen Ortschaft Tismana ein. Pascal dachte in diesem Moment an das Buch Der Klang der Stille: Ein Buch für Mutige von Sergio Bambaren. Das Buch hat er dieses Jahr zum ersten Mal gelesen. Er fand es wunderbar, da man sofort die Natur spürt. Ein Junge wächst in purer Natur, umgeben von Wasser und vor allem Ruhe auf. Später zieht es ihn aus Neugier in die Stadt. Er spürt die Hektik, sieht die durch das Leben hastenden Menschen. Und versucht ihnen zu helfen, indem er ihnen Mut zuspricht. Genau diese Ruhe der Natur, die der Gegenstand des Buches ist, diese konnte Pascal heute den ganzen Tag über spüren. Aber auch den Mut zu haben, sich einfach treiben zu lassen und nicht zu wissen, wo man am Abend sein wird.
Gegen 16 Uhr war es dann genug der Paddelei. Pascal landete auf der rumänischen Seite, gegenüber der kleinen Ortschaft Zike, bei Flusskilometer 890 an. Hier fand er ein ruhiges und idyllisches Plätzchen am Ufer und schlug sein Zelt auf. Der Müll links und rechts trübte ein wenig die Stimmung. Aber Pascal lässt sich nicht unterkriegen und möchte nun am Abend entspannen und die Ruhe der Natur genießen. „Hier kann man richtig runterfahren, es fühlt sich zum ersten Mal so richtig wie Urlaub an.“ rief er mir noch zu. Mit ausreichend Proviant und fünf Litern Wasser ist er auch bestens für die Nacht versorgt. Da es ein sonniger Tag war, wird es sicherlich einen schönen Sonnenuntergang über der Donau geben. Es wäre der perfekte Ausklang eines entspannten Tages. Und dann heißt es Pascal eine gute Nacht zu wünschen, immerhin ist es seine erste Übernachtung in der freien Wildnis.
Wie ergeht es eigentlich dem unteren Donaulauf aus ökologischer Sicht? Sagen wir mal so: äußerst bescheiden. Es begann zu kommunistischen Zeiten. Sowohl Ceaușescu in Rumänien als auch Schwikow in Bulgarien setzten voll und ganz auf die Schwerindustrie. Die einst armen Agrarstaaten sollten zu Vorbildindustrienationen entwickelt werden. Umweltschutz oder sinnvolle Planungen? Das interessierte niemanden. In den Industriestätten an der Donau, wie Ruse oder Galati, aber auch im Landesinneren, wie in Bukarest oder Ploiești, wurden riesige Kombinate aus dem Boden gestampft. Abwässer wurden und werden heute noch ungefiltert in die Gewässer geleitet. Atommeiler wurden direkt an die Donau gesetzt. Wird das entnommene Kühlwasser auf Radioaktivität nach westeuropäischen Standards geprüft? Vermutlich eher nicht. Wie sich das alles auf den Fluss auswirkt? Warten wir ab, was uns Pascal berichten wird. Aber es schwant einem Böses.
Auch morgen wird sich Pascal wieder treiben lassen. Schauen wir mal, wo es ihn hinführen wird. TF
PS: An dieser Stelle nochmal ein kleiner Hinweis: Da Pascal auf den kommenden Etappen öfters das Zelt aufschlagen wird, kann es durchaus sein, dass er von Zeit zu Zeit keinen Akku mehr hat. Wahrscheinlich ist es sogar das Beste, was ihn passieren kann, denn dann stellt sich sicherlich die wahre Seelenruhe ein. Allerdings wird es dann auch mal keinen Blog geben. Nicht, dass Ihr Euch Sorgen macht.