Tag 16: Von Čunovo nach Gönyü – 62,0 km – 7:14 Stunden – 13.193 Paddelschläge

Tag 16: Von Čunovo nach Gönyü – 62,0 km – 7:14 Stunden – 13.193 Paddelschläge

04.08.2017. „Wie ein Meer durchzieht er das Land, breiter als die Donau-Mündung, aufwendiger gebaut als der Suezkanal“ schrieb die ZEIT im Jahr 1992. „Man hat uns die Donau gestohlen!“ riefen die örtlichen Bauern, beraubt um natürliche Fischgründe und die Wasserzufuhr für Viehzucht und Ackerbau. Der Gabčíkovo-Stausee mit seinem riesigen Kraftwerk hat eine wechselhafte Geschichte. Die damalige Tschechoslowakei und Ungarn vereinbarten 1977 den Bau von mehreren Stausystemen über eine Länge von 200 Kilometern.

Durch heftige Proteste von Umweltorganisationen und der ungarischen Bevölkerung stieg Ungarn aus dem Projekt wieder aus – ein Bruch zwischen den beiden Vertragsländern, es kam zu Anhörungen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Die Tschechoslowakei hielt am Projekt fest und baute einen Kanal, der 80% des Donauwassers zur Energiegewinnung umleitet. Der Kraftwerkskanal hat eine Länge von rund 38 Kilometern und mündet anschließend wieder in das natürliche Donaubett. Die alte Donau verläuft westlich des Kanals und führt nur noch 20% des Wassers. Die Folgen für Vegetation, Tierwelt, Grundwasser und alle nachgelagerten Regionen sind heute noch nicht vollständig abzusehen.

Gegen 8:00 Uhr startete Pascal seinen bislang längsten Tagesabschnitt von 62 Kilometern. Hierzu war er auch gezwungen, da es auf beiden Seiten der Donau bis zum Tagesziel Gönyü keine verfügbaren Übernachtungsmöglichkeiten gab. Es war heiß – für Pascal ein Vorgeschmack auf die noch kommenden Wochen in den Hitzeebenen Ungarns und Rumäniens. Er entschied sich für den natürlichen, alten Flussverlauf, der westlich des Gabčíkovo-Kanals fließt.

Früher war die Gegend für die Schiffer eine große Herausforderung. Die vielen Verästelungen und Schüttinseln erschwerten das Navigieren und erforderten erfahrene Lotsen. Untiefen und Sandbänke machten das Leben schwer, das Flussbild änderte sich ständig. Auch das „Treideln“, das Zurückziehen der Boote durch Menschen und Zugtiere stromaufwärts, war durch fehlende Uferbefestigungen erschwert. Hinzu kam noch die Gefahr durch Flusspiraten, die in den Handels- und Passagierbooten leichte Beute sahen. Bereits zu Zeiten Maria Theresias begann man mit ersten Regulierungsarbeiten. Heute fahren die Schiffe einfach geradewegs und mit ausreichend Tiefgang den Kanal runter.

Die ersten 40 Kilometer heute waren für Pascal wunderschön, eine Naturidylle mit Fischreihern, ohne Lärm und kaum Menschen in Sicht – „gut für Auge und Seele“, wie er mir zurief. Die Strömung war zunächst bescheiden, da nach rund 10 Kilometern des Tagesabschnitts ein natürliches Wehr das Wasser staut.

Aufgrund der Hitzeschlacht und wegen der Länge der Strecke legte Pascal zwei Pausen ein. Die erste Pause verbrachte er entspannt nach rund 20 Kilometern. Die Idylle wurde jedoch ein wenig getrübt, nachdem Pascal vereinzelt Plastikmüll entdeckte – Erinnerungen an die gestern erwähnte Studie zu Plastikmüll kamen auf.

Für Pascal ging es heute auch darum den eigenen Körper zu beobachten. Bei Temperaturen um die 38 Grad hieß es viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Zum Glück war er hierfür mit den Flaschen von seinem Unternehmerfreund Quentin von FLSK bestens ausgerüstet – die Flaschen hielten das Wasser kühl. Jede Stunde sprang Pascal auch ins Wasser und prüfte laufend seinen Puls. Mit 100-120 Schlägen pro Minute war er stets im grünen Bereich. Herausfordernd war auch das Paddel bei der Hitze, das im wahrsten Sinne des Wortes „heiß lief“. Das regelmäßige Eintauchen ins Wasser schuf Abhilfe.

Bei seiner zweiten Pause nach rund 40 Kilometern kam ein wenig Wehmut auf, kurz danach hieß es nämlich die alte Donau zu verlassen. Hier bei Sap mündet sie wieder in die große Fahrrinne – ein enormer Kontrast zum vorherigen Flussverlauf mit seiner natürlichen Flora und Fauna. Die letzten Kilometer verbrachte Pascal „im Tunnel“ – einfach nur immer geradeaus den Kanal entlang paddeln und von Kilometer zu Kilometer denken.

Gegen 15:30 Uhr erreichte Pascal schließlich das Tagesziel Gönyü. Es liegt auf der ungarischen Seite der Donau, die für die nächsten rund 100 Kilometer den natürlichen Grenzverlauf zwischen der Slowakei und Ungarn darstellt. Sein Fazit des heutigen Tages: „Es war ein heftige Etappe.“ Den Abend möchte Pascal einfach entspannen und Kraft für den morgigen Tag sammeln. Gute Erholung!

Die Donaugegend rund um den Gabčíkovo-Stausee regte übrigens schon früher die Fantasie an. Stalin plante hier 1947 das Schwemmland schiffbar zu machen. Es ging ihm aber nicht um Energie oder den wirtschaftlichen Aufschwung der Region. Der Kanal sollte allein russischen Kriegsschiffen dienen, um mögliche aufständische Ostblockstaaten besser kontrollieren zu können. Die Pläne wurden jedoch nie umgesetzt.

Morgen geht es weiter nach Komárno, einst der letzte christliche Außenposten Europas – glücklicherweise eine wesentlich kürzere Etappe als heute. TF

PS I: Pascal war nochmal im österreichischen Fernsehen. Den Beitrag findet Ihr auf unserer Medienseite. Und natürlich das Spenden nicht vergessen: http://pure-water-for-generations.com/unterstuetzung/?mit-dem-sup-von-mnchen-bis-ins-schwarze-meer. Der aktuelle Spendenstand beläuft sich auf 5.605 €. Vielen Dank schon mal an dieser Stelle an alle Spender!

PS II: In der Süddeutschen Zeitung war heute ein lesenswerter Artikel zu den Donau-Auen in Österreich. Sie sollen als Vorbild dienen für einen möglichen Nationalpark Donau-Auwälder bei Neuburg an der Donau. Es wäre der dritte Nationalpark in Bayern: http://www.sueddeutsche.de/bayern/naturschutz-der-favorit-1.3614756. Pascal hat die Donau-Auen erst vor wenigen Tagen passiert – eine schöne Strecke.