01.09.2017. Sehnsuchtsländer? Es fällt einem Frankreich, Italien, Spanien ein. Aber Rumänien? Wohl kaum. Dabei hat dieses Land so viele Facetten zu bieten. Kulturelle Schätze wie die Altstädte Siebenbürgens, die Holzkirchen in Maramures, die orthodoxen Bucovina-Klöster, der gewaltige Ceaușescu -Palast in Bukarest, der Dracula-Mythos oder der fulminante Sprachschatz der Literaturnobelpreisträgerin Hertha Müller. Dazu kommen die unberührte Natur der Karpaten, das Königreich der Pelikane im Donaudelta und die endlosen Steppen der Walachei. Einfaches, bäuerliches Dorfleben mit all seinen Traditionen und Bräuchen im Kontrast zu modernen Lounges und Clubs in der Hauptstadt Bukarest. Für viele Reisende ist es noch ein weißer Fleck, ein unbekannter Nachbar, dessen Entdeckung sicherlich lohnt, wenn im Urlaub nicht alles rosarot sein soll. Für Pascal sind es die ersten Erfahrungen in diesem armen EU-Land. Es bleibt spannend zu erfahren, was seine Eindrücke sind.
Wie erging es eigentlich Pascal in seiner ersten Nacht in der freien Wildnis? Wenn man das erste Mal im Freien übernachtet, und dann noch in einem fremden Land, dann hört man natürlich jedes Geräusch. Und diese Geräusche wurden durch das Wasser, durch das Schallen auf der Donau, nochmals verstärkt. Und so hörte Pascal laute Musik aus den benachbarten Dörfern, das Bellen von Hunden, einen Lastkahn, der gefühlt ewig benötigte, um Pascal zu passieren, und das ein oder andere Gespräch von Fischern, die in der Donau am Abend angelten. Hinzu kam, dass sich seine Isomatte auf dem harten Untergrund als wenig hilfreich erwies, sodass sich Pascal mitten in der Nacht raus auf sein SUP legte. Gegen vier Uhr verfiel er dann endlich in den ersehnten Tiefschlaf, und wachte auch erst gegen 9 Uhr wieder auf. „So wie man sich bettet, schläft man.“ war das Fazit seiner ersten Nacht im Freien.
Gegen 10 Uhr machte er sich dann heute bei großer Hitze auf den Weg. Zunächst paddelte Pascal durch eine langgezogene Kurve, die die Donau wieder in südliche Richtung bringt. Wenige Kilometer danach wird die Donau gespalten, es folgt die Insel Mare, die sich über eine Länge von rund zwölf Kilometern erstreckt.
Ungefähr in der Mitte der Insel landete Pascal bei der Ortschaft Ostrovu Mare für eine erste kleine Pause an. Sein Ziel war es Proviant für den Abend und den kommenden Morgen zu besorgen. Mit Händen und Füßen fragte er drei Fischer nach einer Einkaufsmöglichkeit, die ihn auf einen Laden ein paar Hundert Meter weiter verwiesen. So paddelte Pascal noch ein Stück weiter, um dann festzustellen, dass der Laden geschlossen war. Es war 13 Uhr, und der Laden sollte erst 16 Uhr wieder öffnen. Blöd. Wie das Leben manchmal so spielt, entdeckte er ein Auto mit Münchener Kennzeichen und begegnete Michael aus München. Michael erklärte ihm, dass die nächste Einkaufsmöglichkeit eine Tankstelle am Stauwerk wäre – ein wenig riskant, denn danach würde erstmal nichts mehr kommen. Aber Michael hatte noch eine andere Idee. Er pfiff die Inhaberin des Ladens und ihre Tochter heraus, und diese machten für Pascal eine Ausnahme und öffneten ihren Laden – auch der Bierdeckel hatte mal wieder geholfen. Und so konnte Pascal Proviant und Wasser kaufen, die Damen gaben ihm sogar ihr persönliches Brot, da es im Laden keines mehr zu kaufen gab. Pascal fasste die Situation so zusammen: „Man muss dem Leben vertrauen, dass sich die Dinge zum Guten entwickeln.“ Sein Dank gilt Michael und der Inhaberin vom Laden, dass er für die Nacht und den nächsten Tag versorgt ist.
Am Ende der Insel befindet sich das Kraftwerk Eisernes Tor 2, das Pascal nach seiner Pause recht schnell erreichte. Es ist das letzte Stauwehr vor dem Schwarzen Meer, und damit hat Pascal nun freie Fahrt bis zum Donau-Delta. Das Kraftwerk wurde 1984 fertiggestellt und erzeugt für Rumänien und Serbien rund 550 Megawatt Energie. Pascal überwand das Wehr über eine kleinere Schleuse im linken Nebenarm der Donau. Das Problem war, dass er dieses Mal wesentlich mehr Gepäck hatte. Das Umlaufen in wildem Gestrüpp war entsprechend anstrengend und – wie sollte es auch anders sein – mal wieder wurde er von einem Polizisten aufgehalten. Nach dem Vorzeigen der Dokumente konnte aber Pascal seine Reise problemlos fortsetzen.
Direkt nach dem Stauwehr folgt auf serbischer Seite die Stadt Prahovo. Geschichtliche Bedeutung nahm der Ort vor allem während des zweiten Weltkriegs ein. Im September 1944 versenkten die Deutschen hier ihre Schwarzmeerflotte in der Donau, um den Wasserweg zu versperren. Dafür wurden rund 200 Schiffe aneinander gekettet und gesprengt. Einige Wracks liegen heute immer noch unter Wasser, die bei Niedrigwasser teilweise wieder zum Vorschein kommen.
Ein paar Kilometer später fand Pascal bei dem Örtchen Gruia einen netten Platz zum Anlanden. Hier schlug er auf einem weicheren Grasuntergrund sein Zelt auf, in der Hoffnung, dass er hier besser schlafen kann. Am Telefon war Pascal sehr positiv gestimmt. Er spürte, dass die Donau nach dem Wehr zumindest ein wenig Strömung hat, und er befindet sich immerhin schon bei Flusskilometer 850. Der Kilometerstand schmilzt mehr und mehr dahin. Er wird sich nun eine kleine Mahlzeit zubereiten und dann mit Blick auf die Donau die Abendstimmung genießen. Drücken wir ihm die Daumen, dass er heute einen guten Schlaf findet.
Natürlich gibt es auch noch die andere Seite Rumäniens. Sie erzählt von einer sich bereichernden Machtelite, von Massenprotesten im Frühjahr 2017 gegen die Legalisierung von Korruption, von einer Diskriminierung der Roma, von horrender Umweltverschmutzung, von einem der schlimmsten Geheimdienste der Geschichte, dessen Verantwortliche heute in Politik und Wirtschaft mitmischen. Es ist ein Land, das sich, wie so viele ehemalige Ostblockstaaten, von seinem historischen Ballast noch erholen muss. Dafür braucht es Zeit und engagierte Menschen – und genau hier setzt der Hoffnungsschimmer für Rumänien an. Das haben die Proteste im Frühjahr gezeigt.
Morgen folgt für Pascal die letzte Etappe in Serbien. Bulgarien kommt. Nachtquartier? Noch unbekannt. TF