16.08.2017. Pascal durchpaddelte heute wieder einmal eine sehr besondere Gegend: den Nationalpark Kopački rit. Es ist eine der größten Sumpfgebiete Europas und liegt in der nordöstlichen Ecke Kroatiens. Die Gegend ist gesäumt von einer Vielzahl an kleinen Nebenflüssen, Kanälen und Seen und spendet Seeadlern, Silberreihern, Moorenten, Welsen und vielen anderen Tieren Lebensraum. Nach der Schmelze im Frühjahr wird das Gebiet großflächig überschwemmt und bietet dadurch ein ganz besonderes Binnenklima. Der WWF nennt Kopački rit auch den Amazonas Europas. Das Gebiet war über Jahrhunderte für normale Menschen tabu. Einst diente es den Habsburgern als Jagdrevier, später schoss Tito hier den einen oder anderen Hirsch. Gemeinsam mit dem Reservat Gornje Podunavlje auf der serbischen Seite und dem Nationalpark Donau-Drau im Süden Ungarns stellt es ein riesiges naturbelassenes Areal dar.
Der heutige Ausgangsort Batina ist das Tor zum Nationalpark. Nach einem netten Abend mit Milena und Ivan, die Pascal herzhaft bekochten, und der Verewigung von Ivan auf dem SUP am Morgen startete Pascal gegen 9 Uhr in der Früh seine heutige Tour. Nach sieben Kilometern traf Pascal auf das erste Polizeischiff, für Pascal mittlerweile schon eine Gewohnheit. Die netten Grenzpolizisten boten Pascal jedoch nur Hilfe an, sodass Pascal seine Reise entspannt fortsetzen konnte. Scheinbar hat es sich in der Zwischenzeit unter den Grenzpolizisten herum gesprochen, dass ein deutscher SUPer die Donau entlang paddelt. Wenn man bedenkt, dass auf dem heutigen Teilstück nur wenig los war – Pascal zählte heute insgesamt zwei Ausflugsdampfer und drei Lastkähne – ist er wahrscheinlich eine nette Abwechslung im Alltag der Grenzpolizisten. Auf den Polizeibooten hat er bisher auch jedes Mal Angeln gesehen, vermutlich nicht der schlechteste Zeitvertreib während der täglichen Arbeit.
Nach rund 22 Kilometern passierte Pascal auf der serbischen Seite den Ort Apatin. Hier lebten einst viele Donauschwaben, Apatin war ein Zentrum des deutschen Katholizismus. Während der Weltkriege wurde die lokale Bevölkerung jedoch größtenteils vertrieben und durch Serben ersetzt. Bekannt war der Ort vor allem für die Apatiner Donaumühlen. Viele Bauern aus der Region brachten ihr Getreide zum Mahlen hier her, die Qualität des Mehls der Donaumühlen war über die Region hinaus berühmt. Gegenüber Apetin, auf der kroatischen Seite legte Pascal auch seinen ersten und einzigen Tagesstopp ein.
Den ganzen Tag konnte er immer wieder verschiedenste Vogelarten beobachten. Ganze Schwärme an Schwalben sammelten sich für ihren langen Weg zu ihrem Winterquartier Afrika. Das absolute Highlight war ein Seeadler, den Pascal auf einem abgestorbenen Baum entdeckte – ein großes Getier, das Pascal sehr beeindruckte.
Kurz vor dem Tagesziel mündet die Drau (kroatisch: Drava) in die Donau. Endlich mal ein Fluss, der wieder viel Wasser spendet. Ihr Wasser wirkt aber eher wie eine dreckige braune Brühe. Pascal wurde in diesem Moment wieder bewusst, dass er zwar den ganzen Tag auf dem Wasser steht, er zum Trinken aber stets sein eigenes Wasser mitnehmen muss, um keine Erkrankungen zu riskieren.
Die Drau hat nach der Quelle in Südtirol in Italien auf ihrem Weg durch Kärnten, die Steiermark, Kroatien und Ungarn 749 Kilometer bis hierhin zurückgelegt. Der obere Lauf der Drau ist noch recht naturbelassen mit entsprechend sehr guter Wasserqualität. Weiter flussabwärts wird die Drau vor allem zur Energiegewinnung genutzt, es folgen Stausee auf Stausee und viele weitere sichtbare Regulierungen. Erst im letzten Stück, zwischen Ungarn und Kroatien, ist sie wieder naturüberlassen. Dennoch sollte man im kroatischen Draugebiet bei Erkundungen Vorsicht walten lassen. Im Jugoslawien-Krieg der 90er wurden hier Minen gelegt.
Der letzte Kilometer, kurz nach der Draumündung, war nochmal zäh. Pascal hatte das Gefühl, als hätte er auf dem Wasser gestanden. Vermutlich machen hier unterirdische Verwirbelungen die Strömung komplett zu nichte. Aber schließlich gegen 14 Uhr erreichte Pascal das Tagesziel Aljmaš. Am Nachmittag entspannte er sich bei einem Spaziergang im Ort. Die alte Kirche wurde im Kroatienkrieg von serbischen Milizen stark beschädigt. Einzig die Marienstatue blieb während des Angriffs unbeschädigt. An der Stelle wurde eine neue Kirche errichtet, die der Form eines Schwans ähnelt. Sie ist Anziehungspunkt für jährlich rund 100.000 Pilger und Touristen. Pascal wollte eine Kerze anzünden, nur um festzustellen, dass es nur elektrische Kerzen zum An- und Ausschalten gab. Das war dann doch nichts für ihn und so ging er weiter zu einem Kriegsdenkmal direkt in Ufernähe, das Opfer aufführt, die bei den Angriffen während des Kroatienkrieges ums Leben kamen – ein Symbol für den Irrsinn menschlichen Verhaltens, das Pascal nachdenklich machte. Den Tag lässt er nun in seiner Unterkunft ausklingen.
Der Tourismus im Nationalpark Kopački rit hält sich übrigens noch in Grenzen. Die meisten Reisenden bevorzugen Istrien und die lange kroatische Küste mit ihren vielen Inseln bis runter nach Dubrovnik. Gott sei Dank, denkt man sich zunächst. Allerdings setzt die Region Baranja mit ihrem Hauptort Osijek mehr und mehr auf die Reisebranche. Wer will es verdenken, gilt die Region doch als die ärmste Kroatiens, nachdem die vielen Fabriken nach dem Ende des Sozialismus hier dicht machten. Restaurants, Pensionen und Tourenanbieter schießen heute aus dem Boden. Ein Balance-Akt zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen. Zum Glück ist der Großteil des Areals als Sperrgebiet deklariert. Als Tourist darf man sich nur mit einem Guide in das Gebiet vorwagen. Dies ist auch nötig, durch die vielen Verästelungen und Nebenarme würde man schnell die Orientierung verlieren. Aber auch ohne großen Tourismus ist Kopački rit gefährdet. Durch die Regulierungen von Donau und Drau kommt weniger Wasser in das Gebiet. Die Flüsse können nicht mehr mäandern, wodurch es in zunehmendem Maße zu Verlandungen kommt – ein Grund, warum viele Einheimische der Region gegen den Bau weiterer Stauwehre an den speisenden Flüssen Donau und Drau kämpfen.
In diesem Sinne passt der Spruch der Woche von Pascals Unternehmen P&T bestens: „Das Prinzip aller Dinge ist Wasser, aus Wasser ist alles und ins Wasser kehrt alles zurück“ (Thales von Milet). Am besten ist es also, wenn man das Wasser einfach fließen lässt – auch in Kopački rit und die ihn speisenden Flüsse.
Morgen folgt für Pascal die Etappe nach Vukovar – dem ein oder anderen vielleicht noch ein Begriff und sicherlich nicht in bester Erinnerung. TF
PS: Imre, in dessen Unterkunft Pascal in Dunaföldvár zwei Abende verbrachte, hat Pascal einen interessanten Buchtipp mit auf den Weg gegeben: Zwischen Wäldern und Wasser: Zu Fuß nach Konstantinopel: Von der mittleren Donau bis zum Eisernen Tor von Patrick Leigh Fermor. Der Autor begab sich mit 18 Jahren auf die Reise nach Konstantinopel. In der Nähe von Rotterdam startete er 1933 seine Erkundungen auf dem Weg durch den Donauraum in den Orient. Das Buch ist Teil einer Trilogie. Die zwei anderen Teile heißen: Die Zeit der Gaben: Zu Fuß nach Konstantinopel: Von Hoek van Holland an die mittlere Donau Reise (Teil 1) und Die unterbrochene Reise: Vom Eisernen Tor zum Berg Athos (Teil 3).