Tag 19: Von Esztergom nach Vác – 39,7 km – 5:51 Stunden – 9.532 Paddelschläge

Tag 19: Von Esztergom nach Vác – 39,7 km – 5:51 Stunden – 9.532 Paddelschläge

07.08.2017. Die ungarische Donau verläuft auf einer Länge von 412 Kilometern. Sie ist gesäumt von historischen Orten. „Wie Perlen reihen sich die Städte an der Donau auf“, schreibt Magris. Györ, Komárom, Estzergom, Vác, Szentendre, Budapest. Und später folgt noch Mohacs vor der Grenze – Ort eines großen ungarischen Traumas.

Ungarn, das Sehnsuchtsland der Kinder der DDR, verbrachten doch viele hier ihre ersten Urlaube fern der Heimat. Orte voller Erinnerungen wie Györ, Pecs, Szeged, der geliebte Balaton, das hügelige Hinterland mit seiner eigenen Vegetation, die schlichten Landgasthöfe, die unendlichen Tiefebenen, die gelblich-ockerne Farbe der Felder, die heilsamen Thermalquellen, die sonderbare Sprache, die exotischen Speisen – und schließlich natürlich Budapest, das Paris des Ostens. Eine spannende Reise in einem wunderschönen Land, die Pascal bevorsteht – trotz aller politischen Widrigkeiten, aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr.

Nach einer Übernachtung an historischer Stelle – Pascals Unterkunft war Teil des Domkomplexes gewesen, der einst der Kirche gehörte, später Pferdestall war, nach dem zweiten Weltkrieg durch die Russen als Krankenhaus genutzt wurde, um anschließend wieder im Jahr 2006 in den Schoss der Kirche zu fallen – startete Pascal seine heutige Tour gegen 10 Uhr. Nach einer durchregneten Nacht waren die Temperaturen auf 23 Grad gefallen, der Himmel war bedeckt – eigentlich perfekte Bedingungen für eine Paddeltour, wenn sich nicht bereits nach der ersten Kurve Schaumkronen auf der Donau gebildet hätten. Einem Windsurfer würde das Herz aufgehen, einem SUPer kommen Wellen und wechselhafte Winde eher ungelegen. Durch die hügelige Landschaft entwickeln sich lokale Winde, die plötzlich aufkommen, aber auch schnell wieder vergehen. Von daher war Pascals heutiger Tag vor allem vom Suchen nach der optimalen Linie geprägt – am besten im Windschatten und da, wo die Strömung ist. Das hieß für ihn mal rechts, mal links auf der Donau paddeln, ein ständiges Kreuzen des Flusslaufes – und vor allem viel Paddeln. Anstrengend.

Einige Kilometer nach Esztergom drängt sich die Donau wieder einmal durch eine besondere Engstelle, sie muss sich durch ein kleines Mittelgebirge durchschneiden, in einer Art 180 Grad-Wendung. Im Norden befindet sich das Börzöny-Gebirge, vom Süden drängen sich die Visegráder Berge heran. Die Steilhänge an beiden Donauseiten ragen somit bis zu 600 Meter hoch.

Der Einstieg ins „Kriterium“: Pascal driftete von außen an, um die Kurve dann lässig auf der Kante von innen zu nehmen, ein langer eleganter Schwung, die optimale Linie, kaum spritzendes Wasser, bestzeitenverdächtig – um bei der Wortwahl von Hannes Duscher und Roli Gratzer von FM4 zu bleiben. Pascal gab den beiden Ende Juli ein legendäres Interview, das Ihr auf unserer Medienseite findet. Herzliche Grüße an die beiden!

Die gesamte Passage von rund 20 Kilometern ist ein absolutes Naturhighlight. Hinzu kommt noch die Burg Visegrád, die sogenannte „Zitadelle“ mit dem Salomonturm, zeitweiliger Sitz des ungarischen Königs, die hoch über der Donau thront – ein beeindruckender Anblick für Pascal.

Kurz darauf traf Pascal auf die nächste besondere Stelle. Die Donau trifft auf das Bollwerk des 650 Meter hohen Cserhát-Berges. Es ist eine Stelle, die alles verändert, denn die Donau kommt gegen den Berg nicht an und nimmt eine folgenschwere 90 Grad-Kurve. Für die nächsten 500 Kilometer wird sie den Ostpfad verlassen und nur noch gen Süden fließen. Nach dieser Stelle wird bald das ungarische Tiefland folgen, es ist die Fortsetzung der eurasischen Steppen, die jahrhundertelang von Nomaden bewandert wurden.

Die Donau teilt sich hier nochmals und wird erst bei Budapest wieder zusammenfließen. Diese besondere Gegend, in der die Donau seltene Kurven schlägt, ist auch besser bekannt als „Donau-Knie“ – im Vergleich zu den letzten beiden Tagen eine tolle Abwechslung für Pascal. Er nahm schließlich den östlichen Pfad, da sich auf diesem Teil der Donau sein Tagsziel Vác befindet. In den Hügeln konnte Pascal viele kleine Ferienhäuser sehen, vermutlich werden viele Budapester in der Gegend die Ruhe von der großen Stadt und die Frische der Natur suchen – verständlich in dieser schönen Flusslandschaft.

Kurz nach der Teilung legte Pascal seine zweite Pause ein. Es war ein Idyll in schöner Natur und in diesem Moment dachte er an eines seiner Lieblingsbücher, die Briefe an einen jungen Dichter von Rainer Maria Rilke. Ein junger Dichter fragt in mehreren Briefen nach Ratschlägen an den großen Lyriker. Rilke zeigt ihm auf, welche Reichhaltigkeit das Leben bereithält. Es war ein Geschenk einer Freundin an Pascal, das lange auf seinem Nachttisch lag. Nachdem er einmal darin las, wurde es ständiger Wegbegleiter – ein Buch das auch ihn veränderte. Es hat ihn dazu inspiriert seinen eigenen Weg zu gehen und das Leben auf sich zukommen zu lassen. „Habe Geduld gegen alles Ungelöste in deinem Herzen und versuche, die Fragen selbst lieb zu haben. Lebe jetzt die Fragen! Vielleicht lebst Du dann eines neuen Tages, ohne es zu merken, in die Antwort hinein.“, schreibt Rilke an den jungen Suchenden. „Was not tut, ist doch nur dieses: Einsamkeit, große innere Einsamkeit. Insich-Gehen und stundenlang niemandem begegnen, – das muß man erreichen können. Einsam sein, wie man als Kind einsam war, als die Erwachsenen umhergingen, mit Dingen verflochten, die wichtig und groß schienen, weil die Großen so geschäftigt aussahen und weil man von ihrem Tun nichts begriff.“ Die Einsamkeit, auch sie wird Pascal in den nächsten Wochen begleiten.

Einige Kilometer später erreichte Pascal kurz nach 16 Uhr endlich das Tagesziel. Vác, zu Deutsch Waitzen, ist ein entspanntes Städtchen mit malerischen Barock- und Renaissance-Gebäuden, das endlich mal wieder eine Uferpromenade hat. Auch Magris verweilte in Vác und beschreibt die Eindrücke eines früheren Donaureisenden, Nikolaus Ernst Kleemann, der sich über die Gastronomie in Ungarn und vor allem in Vác beklagt. „Man speise und trinke schlecht, aus schmutzigen Schüsseln und Bechern und zu unerhörten Preisen.“ Hoffen wir, dass es Pascal bei seinem heutigen Aufenthalt besser ergeht. Zumindest konnte er aus dem Café Eszterházy, ein klangvoller ungarischer Name, bei einer heißer Schokolade und der Kuchenspezialität des Hauses, nichts Schlechtes berichten. Nachdem der Kopf gestern etwas müde war, sei er heute wieder frisch, rief er mir noch zu. Am Abend möchte er die nächsten Reiseetappen planen. Gerade im ländlichen Bereich nach Budapest heißt es rechtzeitig Ausschau nach passenden Übernachtungsmöglichkeiten halten.

Zu den Trinksitten gilt es übrigens für Pascal in Ungarn einiges zu beachten. Im Budapest Reiseführer des Müller Verlags heißt es: „Noch heute weigern sich viele Ungarn mit Biergläsern anzustoßen. Mit Wein ja, mit Bier auf keinen Fall. Schuld daran sind die Habsburger Soldaten: Die stießen nach der Revolution 1848/49 mit Gerstensaft an, als ungarische Generäle hingerichtet wurden – für echte Patrioten bis heute eine Beleidigung! Da stampft man lieber mit dem Humpen auf den Tisch, ruft zum Wohl Egészségedre! – und kühlt nach diesem Zungenbrecher seine Kehle.“ Das ungarische Bier übrigens – Soproni, Dreher, Arany Ászok, Borsodi, um nur einige bekannte Biermarken zu nennen – ist durchaus köstlich und steht dem deutschen Bier in nichts nach. Na dann, Egészségedre Pascal.

Morgen geht es weiter in die wahre Donaumetropole, Budapest. Wow! TF

PS I: Wie es Pascal auch in seinem Unternehmen hält, so wird auch hier im Blog ab jetzt der Spruch der Woche publiziert. Diese Woche lautet er: „Selbstvertrauen ist das erste Geheimnis des Erfolges.“ (Ralph Waldo Emerson)

PS II: Zu Pascals Mission gab es nochmal einen großen Zeitungsartikel im Münchner Merkur im Teil Bayern & seine Menschen. Den Beitrag findet Ihr auch auf unserer Medienseite. Ein Zitat aus dem Artikel möchte ich Euch nicht vorenthalten: „Ein ziemlicher Wahnsinn, ein beneidenswerter Wahnsinn, gerade für Menschen, die den bayerischen Sommer in unklimatisierten Büros verbringen dürfen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.