30.07.2017. Wiener Burgtheater, 1988. Uraufführung des Dramas Heldenplatz. Claus Peymann inszeniert. Einzelne Textpassagen gelangen schon vorher an die Öffentlichkeit. In ganz Österreich brodelt es: „Heldenplatz-Premiere: Burgtheater heute unter Polizeischutz“, schreibt die Krone. Bundespräsident Waldheim schäumt: „Eine grobe Beleidigung des österreichischen Volkes.“ Am Tag der Aufführung trifft sich vor der Burg die „National-Konservative Union“ und ruft zu Protesten auf, andere wollen Kuhmist vor dem Gebäude abladen. Die Burg ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Aufführung beginnt. Und wie erwartet: es kommt zum großen Skandal! Immer wieder gibt es Pfiffe und Buhrufe, gleichzeitig demonstrativer Applaus und Bravo-Rufe. Zum Ende der Vorstellung überwiegt die Begeisterung, das Publikum verabschiedet die Schauspieler mit tosendem Applaus.
„Österreich selbst ist nichts als eine Bühne auf der alles verlottert und vermodert und verkommen ist, eine in sich selber verhaßte Statisterie von sechseinhalb Millionen Alleingelassenen, sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige. […] In den letzten fünfzig Jahren haben die Regierenden alles zerstört und es ist nicht mehr gutzumachen, die Architekten haben alles zerstört mit ihrem Stumpfsinn, die Intellektuellen haben alles zerstört mit ihrem Stumpfsinn, das Volk hat alles zerstört mit seinem Stumpfsinn, die Parteien und die Kirche haben alles mit ihrem Stumpfsinn zerstört, der immer ein niederträchtiger Stumpfsinn gewesen ist und der österreichische Stumpfsinn ist ein durch und durch abstoßender“, eine der boshaften Passagen von Hauptdarsteller Prof. Robert im Stück.
Der Autor von Heldenplatz ist das enfant terrible der österreichischen Literatur: der große, polarisierende Schriftsteller Thomas Bernhard. Er ist gleichzeitig einer der Lieblingsautoren von Pascal. Was kann es da besseres geben als bei der Ankunft in einer von Pascals Lieblingsstädten mit Gedanken an Thomas Bernhards witzig bis boshaften „Heldenplatz“ zu beginnen.
Pascal startete heute bereits 8:45 Uhr seine Tagestour. Er paddelte zunächst immer geradeaus durch das Tullner Feld. Hier lag früher Comagena, der Stützpunkt und Hafen der Donauflotte der Römer. Kurz nach Tulln traf Pascal auf die Schleuse Greifenstein, das erste und letzte Stauwehr des Tages. Das Wehr davor, in Altenwörth, war heute geschlossen geblieben. Durch den Rückstau des Wassers hieß es auf den ersten Kilometern ordentlich paddeln für Pascal.
In Langenlebarn hinter Tulln machte er seinen ersten Tagesstop. Im Donaugartl Floh traf er auf den Radler Gerhard aus Linz, der die 7 Summits Austria Challenge macht. Dabei geht es um die Erklimmung der jeweils höchsten Gipfel in den sieben österreichischen Bundesländern – sechs von sieben Gipfeln hat Gerhard schon gepackt. Der noch offene Gipfel ist der im Burgenland, mit rund 820 Metern für Gerhard wahrscheinlich ein Katzensprung. Herzlichen Dank Gerhard für die nette Unterhaltung und die Einladung! Zum Abschied gab es noch ein Foto mit Gerda vom Donaugartl (https://www.facebook.com/DonaugartlFloh/).
Nach Tulln muss sich die Donau nochmal durch ein Gebirgsplateau graben, ein Ausläufer des Wienerwaldes. Langsam drängen sich von Süden die Alpen und von Norden die Karpaten in den Donauraum. Hier zwischen Korneuburg und Klosterneuburg, Orte, die Pascal am frühen Nachmittag erreichte, war einst die letzte zu nehmende Barriere vor dem Erreichen von Wien. Sie wird auch als „Wiener Pforte“ bezeichnet. Im Klosterneuburg verbrachte übrigens Franz Kafka seine letzten Tage im Sanatorium, bevor er hier 1924 verstarb.
Bald darauf erreichte Pascal Wien, die „Versuchsstation des Weltuntergangs“ – ein typischer Schmähgesang von Karl Kraus auf seine spätere Heimatstadt. In Wien werden die umfassenden Regulierungsmaßnahmen der Donau deutlich, sie haben das Flussbild vollständig verändert. Die Donau wird gespaltet. Seitdem zieht die „Neue Donau“, zwischen Kaimauern eingepfercht, am Kern der Stadt vorbei. Vom Hauptfahrwasser Donau aus ist nichts von der Altstadt zu sehen.
Pascal nahm natürlich die „Neue Donau“ und traf gegen 16 Uhr auf Steffi vom PWFG-Team, beide paddelten sie gemeinsam ein Stück bis sich wenig später die Wienerin Anja mit ihrem SUP, Pascals Bruder Nicol und Thomas Lurz dazu gesellten. Thomas Lurz ist einer der erfolgreichsten deutschen Langstreckenschwimmer. Er konnte unter anderem bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 Bronze und in London 2012 Silber über die 10 Kilometer-Distanz gewinnen. Nicol und Thomas schwammen mit dem Powerbreather von AMEO neben Pascal, Anja und Steffi auf den SUPs die finale Etappe des Tages – eine Strecke von insgesamt fünf Kilometern. Pascal war schwerstens von den „Steher-Qualitäten“ von Thomas beeindruckt, der praktisch durch die „Neue Donau“ pflügte. Thomas war dann auch verantwortlich für die erste Wassertaufe der Hanfernen. Herzlichen Dank Thomas, dass Du extra eingeflogen bist und dabei warst!
Anschließend wurde das 5er-Gespann von der Wiener Fanatic-Crew auf Ihren SUP-Boards empfangen, die 500 Meter entgegen gepaddelt kamen. Wegen einer Unwetterwarnung ging leider nicht mehr. Vielen Dank an die Fanatic-Crew für den tollen Empfang in Wien! Am Abend lassen Pascal und Co. den ereignisreichen Tag in der Summerstage bei Spritz und Weißbier an der Donau ausklingen.
Letztes Jahr war Pascals Reise hier zu Ende gegangen (damals hat er übrigens einen Tag mehr gebraucht). Dieses Jahr hat er rund 20% der Strecke geschafft. Es liegt noch ein weiter, und vor allem gänzlich unbekannter Weg vor ihm. In Wien hat die Donau bereits 920 Kilometer von der Quelle aus zurückgelegt. Ein Thema jedoch hat für Pascal in den kommenden Wochen besondere Relevanz: die Donau hat bis Wien bereits den Großteil ihres Gefälles verloren. Das bedeutet weniger Strömung, mehr Paddelschläge, mehr Schweißperlen für Pascal!
Thomas Bernhard wäre das heute alles wahrscheinlich zu viel Brimborium gewesen. Sein Stück Heldenplatz hatte nicht nur viele polarisiert, Bernhard selber hat es erschöpft. Er schreibt: „Nach dem Heldenplatz war’s vollkommen aus.“ Kurz nach dem Skandal starb er auch, gezeichnet von einer schweren Lungenkrankheit, die ihn sein ganzes Leben lang begleitete, und vielleicht zu dem machte, der er wirklich war – ein scherzhafter, sarkastischer, bisweilen boshafter Charakter, der der Gesellschaft den Spiegel vorhielt. Heldenplatz war dabei nur eines der vielen Stücke, das die Gemüter spaltete.
Nach den ereignisreichen und kraftzehrenden ersten elf Paddeltagen auf Isar und Donau mit mehr als 150.000 Paddelschlägen steht für Pascal morgen der erste Ruhetag an. Wien ist dafür natürlich bestens geeignet, unter anderem auch um sich mit Partnern und Umweltorganisationen zu treffen. Pascal, gute Regeneration! TF